Bericht einer alpinen Wanderung: 22.-24. Juli 2024 (Führungstour)
Tag 1: Im Salamander-Land
Der 22. Juli begann so, wie man sich einen typisch alpinen Sommertag vorstellt: feucht, mystisch und mit Regenjacken, die fast mit der Haut verwachsen sind. Unser Ziel? Die legendäre Mädelegabel auf 2643 Metern. Der Startpunkt lag in Birgsau, einer Höhe irgendwo zwischen „da unten“ und „wann sind wir endlich da oben?“. Mit dabei: Ein paar Bergwanderer mit mehr Enthusiasmus als Verstand aber dafür mit jeder Menge guter Laune – trotz des Wetters.
Der Aufstieg zum Waltenberger Haus verlief unter dem Motto „trockener, aber feuchter Tag“ – eine Wetterbeschreibung, die sich nur ein Meteorologe ausdenken kann. Tatsächlich war es trocken genug, dass wir nicht im Schlamm wateten, aber in den tiefhängenden Wolken feucht genug, dass die Regenjacken ihre Berechtigung hatten. Typisches Alpen-Salamander-Wetter also! Und tatsächlich: Einen dieser glänzend schwarzen Kerle haben wir am Wegesrand entdeckt, wie er gemütlich über den glitschigen Boden kroch.
Doch die wahre Überraschung lauerte in der Flora: Der Zustieg zum Waltenberger Haus erinnerte mehr an einen tropischen Dschungel als an das Allgäu. Der Türkenbund leuchtete in einem kräftigen Rosa über den dichten Unterbewuchs hinaus, als wolle er uns den Weg weisen. Gelber Eisenhut mischte das Ganze mit seiner vanillefarbenen Pracht auf, während rosa Quirlblättriges Läusekraut, Gilbweiderich, weiße Sterndolden und Blutweiderich einen wilden Farbmix darboten. Wiesen-Bärenklau und Grauer Alpendost setzten noch ein paar Akzente, sodass wir uns fast wie in einem botanischen Garten vorkamen – nur mit mehr Schweiß und weniger Sitzbänken.
Nach diesem floralen Abenteuer erreichten wir das Waltenberger Haus, wo wir uns für die Nacht einquartierten. Das Haus lag da wie eine Trutzburg im Regen, bereit, uns für den morgigen Gipfelsturm zu wappnen.
Tag 2: Gipfelsturm auf die Mädelegabel
Früh am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg zur Mädelegabel, dem majestätischen Gipfel, der wie ein Wächter über dem Allgäu thront. Selten bestiegen wird der geschichtsträchtige Gipfel. Aber auch hier galt, beim DAV Weinheim gibt es keine leichte Touren, nur schöne. Hoch zur steilen Bockkarscharte und nach kurzem Abstieg sahen wir schon den Schwarzmilzferner vor uns liegen. Der letzte Gletscher des Allgäus, den wir zuvor überqueren mussten, empfing uns mit einem steilen, sulzigen Aufstieg. Grödel waren hier nicht nur eine gute Idee, sondern ein Muss – außer man wollte sich eine unfreiwillige Rutschpartie gönnen.
Der letzte Teil verlangte uns einiges ab, aber nach einigen Stunden, in denen der Schweiß in Strömen floss und die Gespräche immer knapper wurden, standen wir endlich auf der Mädelegabel.
Bis dahin wurden wir auch von einer Vielzahl tierischer Freunde begleitet: Murmeltiere huschten um uns herum und pfiffen aus sicherer Entfernung, als wollten sie uns aufmuntern. Steinböcke hingegen thronten majestätisch auf den Felsen und warfen uns Blicke zu, die sagen sollten: „Ihr Menschen seid schon ein seltsames Volk.“
Danach die Aussicht? Spektakulär! Die Freude, der Stolz? Unbeschreiblich! Das Wetter? Die Wolken verschwanden langsam, der Blick auf die Trettachspitze, die Hochfrottspitze und die Sicht sogar bis zu Grünten waren abwechselnd frei.
Von der Mädelegabel ging es weiter zur Kemptner Hütte, ein Abstieg, der uns auf eine weitere Reise durch die alpine Flora führte. Die Wiesen um die Hütte herum schienen in ein Meer aus Arnika getaucht zu sein, während Kissen aus Tausendgüldenkraut und Langspornveilchen das Herz eines jeden Pflanzenfreundes höher schlagen ließen. Die Natur zeigte sich hier von ihrer zartesten und schönsten Seite, als wolle sie uns für die Anstrengungen des Tages belohnen.
Tag 3: Abschied mit Schneebrücken
Am 24. Juli war es dann an der Zeit, den Rückweg anzutreten. Das Wetter? Heute trocken, ausser man stand zu lange unter den zahlreichen Wasserfällen. An Tag drei in den Bergen freuten wir uns, dass die Sonne offenbar ganztägig aus Ihrem Urlaub zurückkam.
Die Blüten auf Wiesen und Wegränder um die Kemptner Hütte schenkten uns noch einmal ein Fest für die Augen und bildeten einen letzten bunten Teppich, über den wir sanft, aber müde schritten.
Nach Stunden des Wanderns und einer gefühlten Ewigkeit unter und über den Schneebrücken entlang des Sperrbachs erreichten wir schließlich wieder unseren Ausgangspunkt in Oberstdorf. Die Wanderung endete anders, wie sie begonnen hatte: Im T – Shirt in der Sonne, einem stolzen Lächeln im Gesicht und einem Herzen voller Erinnerungen.
Fazit: Wer die Mädelegabel erklimmt, braucht nicht nur Mut, Kondition, Steigeisen und Trittsicherheit, sondern auch eine gute Portion Humor – und eine wirklich wasserdichte Jacke!
Text: Ute Borlinghaus
Bilder: Wolfgang Engelter und Ute Borlinghaus